Verflixt verliebt
Peter Luisi, Schweiz, 2004o
Miro, ein in der Schweiz wohnender argentinischer Biologiestudent, verknallt sich in die deutsche Schauspielschülerin Mercedes. Durch eine Verwechslung hält man ihn für einen berühmten argentinischen Regisseur, was Miro dann zu nutzen beschliesst: Er überredet Mercedes, mit ihm einen Film zu machen, in dessen Verlauf er ihr Herz erobern will.
Peter Luisi zelebriert und parodiert in seinem virtuos-verspielten Erstling das Filmemachen und bürstet gutschweizerische Filmertraditionen gegen den Strich. Die ewigen Querelen seiner BerufskollegInnen bezüglich der Filmförderung karikiert der in den USA ausgebildete Regisseur, indem er Miros Möglichkeiten umständehalber vom luxuriösen 35-mm-Format nach und nach via Super-16 und 16mm auf Super-8 reduziert und immer schäbiger aussehen lässt. Gekonnt untermischt er Videoaufnahmen und Material von Überwachungskameras und veranschaulicht in seiner witzigen Komödie nebenbei, dass wir alle immer irgendwo «im Bild» sind. (Auszug)
Michel BodmerWer hätte gedacht, dass ein Film mit einem so blöden Titel, so toll sein kann? Der Erstling von Peter Luisi (Der Sandmann) gehört zu den besten Komödien, die je in der Schweiz gedreht wurden. Besonders ingeniös ist dabei, wie er mit den Mitteln des Films spielt und aus der Not, kein Geld zu haben, eine Tugend zu machen verstand.
Thomas BodmerSo verspielt Luisi mit Filmtechnik umgeht, so lustvoll mixt er die Genres: Bald wird ein Melodrama gegeben, dann wieder eine Slapstick-Einlage, bald eine Porno-Persiflage und dann eine Thriller-Farce. Weil «Verflixt verliebt» als Film im Film konzipiert ist und die verschiedenen Ebenen bewusst zur unentwirrbaren Melange gebracht werden, ist alles erlaubt und jede Plausibilität nur hinderlich. Oder wie wir es bei Filmstudent Peter gelernt haben: «Suspension of disbelieve», das vorübergehende Ausschalten unseres kritischen Verstands, macht «Verflixt verliebt» erst möglich - und geniessbar. Dadurch, dass das Stümperhafte zur Norm erklärt wird, unterwandert Luisi zudem geschickt das Aufbegehren der Wahrscheinlichkeitskrämer. Jedem technischen Versagen, jeder statisch gespielten Szene, jeder erzählerischen Volte wird bereits im Voraus Absolution erteilt.
Thomas BinottoGalerieo
Die originelle Liebeskomödie Verflixt verliebt wurde am Filmfestival Saarbrücken mit dem Regie-Förderpreis ausgezeichnet. Gemacht hat sie der junge Zürcher Peter Luisi.
Was tun, wenn man als junger Zürcher Drehbuchautor und Regisseur unbedingt einen Film machen möchte, aber keine öffentlichen Gelder bekommt? Man kann über den kulturellen Holzboden jammern, wie das unter Schweizer Künstlern üblich ist. Oder man denkt sich einen Film aus, der so billig ist, dass man ihn selbst finanzieren kann. Das hat der 28-jährige Peter Luisi getan. Herausgekommen ist Verflixt verliebt, dem Titel zum Trotz die lustigste Schweizer Komödie seit langem.
Das finden natürlich nicht alle Leute, und Achtung, fertig, Charlie! hat viel mehr Besucher gehabt. Aber so ist das nun mal mit der Komik: Die einen lachen bei den Schmirinskis, die anderen bei Lorenz Keiser. «Ich sehe nicht ein, warum Filme entweder blöd und lustig oder todernst und traurig sein sollen», sagt Peter Luisi in der Küche seiner Firma Spotlight Media Productions: «Ich will Filme fürs Publikum machen, aber solche, aus denen es nicht dümmer herauskommt, als es hineingegangen ist.»
Kein Blender
Luisi wurde 1975 in Zürich geboren, als Sohn eines italienischen Chemieprofessors und einer amerikanischen Englischlehrerin und Übersetzerin. Er habe immer schon gewusst, dass er Filme machen wolle, erzählt er, weshalb er nach zwölf Jahren Rudolf-Steiner-Schule in die USA ging und dort zunächst in North Carolina und dann in Kalifornien Filmproduktion studierte.
Luisi ist alles andere als ein Blender: Sorgfältig erklärt er, dass er das Studium nur mit einem BA, also einer Art Lizenziat, abgeschlossen habe, nicht mit einer Dissertation. Und er ist auch der Erste, der zugibt, dass das Schwächste an seinem Film der Titel ist: «Zunächst sollte er Dreh total heissen. Ich hoffte, darin würde so was wie total verliebt und durchgedreht anklingen», sagt er, «aber die Leute haben immer nur an das Drehen von Filmen gedacht. Mir ist aber viel wichtiger, dass das eine Liebesgeschichte ist, dass da einer aus Liebe zum Filmer wird.»
Der Plot geht so: Miro, ein in der Schweiz wohnender argentinischer Biologiestudent, verknallt sich in die deutsche Schauspielschülerin Mercedes. Durch eine Verwechslung hält man ihn für einen berühmten argentinischen Regisseur, was Miro zu nutzen beschliesst: Er überredet Mercedes, mit ihm einen Film zu machen, in dessen Verlauf er ihr Herz zu erobern hofft. Richtig kompliziert wird die Sache aber erst, als sich zwei Zürcher Filmschüler namens Peter (!) und Luigi (!!) an Miros Fersen heften, weil sie mit einem Making-of über das Werk des berühmten Argentiniers ihrerseits berühmt zu werden hoffen.
Ermutigt von intelligenten Low-Budget-Filmen wie The Blair Witch Project, schrieb Luisi ein Drehbuch, in dem die Billigkeit der verwendeten Mittel mit zur Geschichte gehört: Nur der «Film im Film» ist mit 35-mm-Filmmaterial gedreht. Dazu kommen grobkörnige Bilder von Überwachungskameras und wild bewegte von der Kleinformatkamera der Filmstudenten. «Ich bin sehr stolz darauf, dass ich nie gemogelt habe», sagt Luisi: «Man sieht immer nur das, was jemand gefilmt haben kann, der einen Grund hatte, in diesem Moment an diesem Ort zu sein.»
Damit spielt Luisi auf sehr witzige Weise: Auf einer Verfolgungsjagd schafft es der Kameramann gerade noch in ein Tram, der Tonmensch aber nicht, weshalb er in einem Taxi hinterherfahren muss, was dazu führt, dass Bild und Ton eine Zeit lang auseinander gerissen werden. «Das ist meine Lieblingsszene und der eigentliche Ursprung des Films», erklärt Luisi. Doch genau solche Scherze schreckten die verschiedenen Förderungskommissionen ab: «Film im Film will niemand sehen», sagten sie und gaben nichts.
Als Drehbuchautor war Luisi willkommen, Füür oder Flamme, an dem er mitgeschrieben hatte, wurde 2001 vom Schweizer Fernsehen verfilmt. Doch eine Regie anvertrauen wollte man dem Neuling nicht. So beschloss er, seinen Film selbst zu finanzieren. «Ich dachte, auch wenn ich 150 000 Franken Schulden mache, habe ich dann immerhin einen Film und gelte als Regisseur. Der Film ist also eine ganz teure Visitenkarte.»
Er ist mehr als das: Mit dem Argentinier Pablo Aguilar und der Theaterschauspielerin Sandra Schlegel hat Luisi zwei Hauptdarsteller gefunden, die nicht nur komisches Talent, sondern auch grosse Leinwandpräsenz haben. Der Film wurde vom Migros-Kulturprozent unterstützt, fand einen deutschen Koproduzenten und hat soeben am Filmfestival von Saarbrücken den Regie-Förderpreis gewonnen. Drei deutsche Verleiher und zwei Fernsehsender haben sich bei Luisi gemeldet. Vielleicht geht es jetzt nicht so lange bis zur Verwirklichung seines nächsten Filmprojekts: In einem Asylanten-Durchgangsheim soll Wilhelm Tell aufgeführt werden. «Zurzeit heisst der Film International, Neutral, sagt Luisi und lacht: «Schon wieder so ein schlechter Titel. Aber bis ich meine Schulden abgetragen habe, fällt mir vielleicht ein besserer ein.»