Habemus Papam
Nanni Moretti, Italien, Frankreich, 2011o
Kardinal Melville (Michel Piccoli) ist zum neuen Papst gewählt worden, doch er fühlt von dieser unerwarteten Aufgabe heillos überfordert und weigert sich, auf den berühmten Balkon zu treten. Während der Vatikan nach Ausreden für die Verzögerung des Rituals sucht, wird ein Psychiater (Nanni Moretti) als Motivations-Coach beigezogen. Erfolglos: der Gewählte entkommt in die Strassen von Rom und mischt sich unters Volk ...
Nanni Moretti sympathisierte lange, wenn auch aus ironischer Distanz mit der kommunistischen Partei. Als der Römer Regisseur 2010 einen Film über den Papst ankündigte, befürchtete die katholische Kirche natürlich eine vernichtende Abrechnung, während sich die Fans auf eine ebenso bissige Schelte freuten, wie sie Moretti mit Il caimano 2006 Silvio Berlusconi gewidmet hatte. Doch wie so oft war Moretti für eine Überraschung gut: Wohl ist Habemus Papam eine Vatikan-Satire, doch Morettis Ansatz ist dabei eher humanistisch als politisch, eher kontemplativ erkundend oder dann spielerisch disruptiv als schonungslos anklagend. Der Vergleich mit Conclave ist zurzeit natürlich unumgänglich, doch auch schnell gemacht: Während sich in Bergers Film die Papabili einen bitteren Machtkampf liefern, treten bei Moretti sämtliche Kardinäle mit dem gleichen Gedanken in das Konklave ein: "Bitte nicht ich"! Der gewählte Kardinal Melville, in seinem menschlichen Zaudern herrlich gespielt von Michel Piccoli, bekommt prompt eine Panikattacke, als er sich den Gläubigen auf dem berühmten Balkon zeigen soll. Zunächst verkriecht er sich in der Sixtinischen Kapelle, und nachdem ein hinzugezogener Psychiater, gespielt von Moretti selbst, auch nichts bewirkt hat, gelingt ihm sogar die Flucht unter das Volk in die Strassen von Rom. Ein Zufluchtsort des Papstes ist auch das Theater, das er liebt, obwohl er in seiner Jugend als Schauspieler scheiterte – die Parallele zwischen Kirche und Theater ist evident. Im Vatikan gibt es derweil (dramaturgisch strapazierte) Momente des Ballsports, die in einem Moretti-Film fast so sicher sind wie das Amen in der Kirche: hier in Form eines Volleyballturniers, das der Psychiater mit den gelangweilten Kardinälen organisiert. Trotz vieler komödiantischer Momente, stellt Habemus Papam ernste und kluge Fragen an den Glauben. Ein vergnüglicher Zeitvertrieb, während wir auf weissen Rauch warten.
Till Brockmann