Riefenstahl
Andres Veiel, Deutschland, 2024o
Mit propagandistischen Dokumentarfilmen wie Triumph des Willens und Olympia hat die deutsche Regisseurin Leni Riefenstahl (1902–2003) in den 1930er Jahren die faschistische Ästhetik mitgeprägt, später spielte sie ihre zentrale Rolle in der NS-Filmroduktion und ihre Nähe zu Goebbels und Hitler stets herunter. Der Dokumentarist Andreas Veill hat Riefenstahls Nachlass gesichtet und rekonstruiert aus den Dokumenten eine Biografie im ästhetischen und zeitgeschichtlichen Kontext.
Es ist schon beeindruckend, welches Material dem erfahrenen deutschen Regisseur Andres Veiel für seinen Dokumentarfilm über die Hof-Filmemacherin des NS-Regimes Leni Riefenstahl zu Verfügung steht: Unzählige Interviews von deutschen und internationalen TV-Anstalten (samt nie gesehener Outtakes daraus), natürlich ihre Filme, aber auch Material aus ihrem persönlichen Archiv, darunter Fotos, Briefe, Mitschnitte von Telefonaten und private Filmaufnahmen. Imposant auch, was Veiel aus alldem herausholt, indem er alle Register kunstvoller, dialektischer Bild-Ton-Montagen zieht. Eine wirklich neue Sicht auf die Riefenstahl, die von Anfang an auf der filmischen Anklagebank sitzt, liefert der Film zwar nicht. Stark trotzdem manche Akzente. Ein Kernpunkt beispielsweise die lebenslange, unerschütterliche Eitelkeit der Regisseurin, die in jedem Bild, in jedem Satz und Gebaren zutage tritt. Man glaubt ihr, dass es nicht (ausschliesslich) die Begeisterung für die Ideologie war, die sie dazu brachte, mit den Nazis zu kooperieren, sondern vor allem ihr Bedürfnis nach Grandeur, das im Umfeld des Grössenwahnsinns der NS-Regimes natürlich bestens gestillt werden konnte. Dauernd präsent auch die kognitive Dissonanz der Riefenstahl, die die fürchterlichen Verbrechen des Nationalsozialismus teilweise schon einsieht, aber persönlich nichts damit zu tun haben will und den eigenen, proaktiven Beitrag dazu, verbissen leugnet. Selbst den Makel der Naivität lässt ihre Eitelkeit nicht zu, sie sei nur "unerfahren" gewesen, meint sie, und von den Gräueltaten habe sie sowieso bis nach dem Krieg nichts gewusst. Schade, dass der Film nach zwei Dritteln sein Pulver verschossen hat und etwas redundant auf der Stelle tritt. Doch das liegt auch an der unerschütterlichen Konstanz einer Protagonistin, die sich wohl ein Leben lang dieselben Selbstlügen erzählen musste, um so lange durchzuhalten: Sie wurde 101 Jahre alt.
Till Brockmann