Woolly
Rebekka Nystabakk, Norwegen, 2024o
Der Schafzuchtbetrieb der Familie Nystabakk im Norden von Norwegen geht an die vierte Generation über, an die Tochter Rakel und ihre Frau Ida. Diese verlassen die Stadt, geben ihre Arbeit im urbanen Kulturbetrieb auf - im Wissen darum, dass der Entscheid ihr Leben auf den Kopf stellen wird. Über zwei Jahre verfolgt Rebekka Nystabakk, die Schwester von Rakel, diesen Prozess mit der Kamera. Jeder Tag ist voller Überraschungen, doch Rakel und Ida packen die Herausforderung mit Humor und Zuversicht an.
In diesem wunderbar beschaulichen Dokumentarfilm beobachtet die norwegische Schauspielerin und Erstlingsregisseurin Rebekka Nystabakk, wie ihre Schwester und deren Lebenspartnerin die Schafzucht ihrer Eltern übernehmen. Im Lauf eines guten Jahres sind wir mit dabei, wenn die Schafe gedeckt werden und gebären, der neue Wurf auf wilden Weiden heranwächst, teils Raubtieren zum Opfer fällt, im Herbst wieder eingesammelt und teils geschlachtet, teils nur geschoren wird, bis der Zyklus von Neuem beginnt. Vor allem aber erleben wir, wie die beiden jungen Frauen und ihre Eltern rund ums Jahr und zeitweise rund um die Uhr für die Tiere im Einsatz sind, wie viel sie dabei lernen und öfters auch leer schlucken müssen, und wie sie dank bodenständigen Humor und selbstverständlichem Zusammenhalt auf Kurs bleiben. Nach dem französisch-kanadischen Schäferfilm Bergers also eine weitere ländliche Idylle? So wenig wie dort! Woolly ideologisiert nicht und verklärt nichts. Gerade deshalb funktioniert der Film als glaubwürdigs Korrektiv zur urbanen Gehetztheit und zum selbstverständlichen Naturverschleiss unserer Zeit.
Andreas Furler
