The Sound of Insects: Record of a Mummy
Peter Liechti, Schweiz, 2008o
Im tiefen Winter findet ein Jäger im Wald die Mumie eines etwa 40-jährigen Mannes. Aufgrund der minuziösen Aufzeichnung des Toten stellt sich heraus, dass der Mann im vorhergegangenen Sommer Selbstmord durch Verhungern begangen hat. Nach einer Novelle des japanischen Autors Shimada Masahiko, die ihrerseits auf einer wahren Geschichte beruht.
Selten hat ein semifiktionaler Film eine derart unheimliche Spannung erzeugt, noch dazu im Warten auf etwas, von dem man weiss, dass es eintreten wird. Da wir nie sein Gesicht zu sehen bekommen, erscheint der Protagonist gleichsam als abwesender Anwesender, der schliesslich als Mumie, die man lange nach seinem Tod entdeckt, zum anwesenden Abwesenden wird. Die schriftlichen Aufzeichnungen des langsamen Todes übersetzte Peter Liechti in hypnotische Bilder und Töne, die zwischen Natur und Kunst, zwischen Festhalten und Loslassen, zwischen dem Hier- und Dort, zwischen dem Jetzt und der Vergangenheit oszillieren. «The Sound of Insects» ist in seiner radikalen Annäherung an den Tod ein faszinierendes Manifest für das Leben. (Auszug)
Tereza FischerLiechti findet assoziative Bilder, die an die Found-Footage-Aufnahmen aus der Frühzeit des Kinos erinnern, als der Film selbst noch Neuland war, man zu fremden Ufern aufbrach, wie nun eine junge Frau im Ruderboot über den Styx setzt. Der Ausgang der Geschichte ist bekannt, und doch fiebert man mit dem Hungernden mit. Der Sog, den der Film entwickelt, ist der des Rauschs, in dem das Ich sich auflöst. Damit ist The Sound of Insects reinstes Kino.
Martina KnoebenThe Sound of Insects heisst Peter Liechtis grosser jüngster Film. Er ist das Meisterstück eines Künstlers, der hier die Erfahrungen des experimentellen Films zu einem Stück Kino verdichtet, das von nichts als vom Sterben handelt und dabei das Leben als Folie von beklemmender Schönheit aufleuchten lässt. (...) Halluzinatorisch, von düsterer Grossartigkeit sind die bald in den Zeitraffer verfallenden, bald im groben Korn sich auflösenden oder ins Negativ umschlagenden Bilder, die das verschwimmende Bewusstsein des Sterbenden durchzucken, dem die Welt auf grossartig-unheimliche Weise zum Totenreich der Lebendigen wird.
Christoph Egger