Lara
Jan Ole Gerster, Deutschland, 2019o
Die vergrämte Beamtin Lara hat an ihrem 60. Geburtstag wenig Grund zum Feiern. Ihr Sohn gibt an diesem Abend ein Solo-Klavierkonzert, im Gegensatz zu ihrem Ex-Mann und dessen neuer Lebensgefährtin ist Lara, einst ihrerseits ein Klaviertalent und Drillmeisterin ihres Sohnes, nicht eingeladen. Lara pariert den Affront mit einer List und wird dabei gezwungen, gründlicher zu überdenken, was ein erfülltes Leben ausmacht.
Jan-Ole Gersters zweiter Film nach der acht Jahre zurückliegenden Talentprobe Oh Boy ist eine schöne Überraschung mit vierfacher Pointe. Nicht nur, dass Corinna Harfouch hier mit dem ganzen Ausdrucksrepertoire eine erfahrenen Vollblutschauspielerin die Grenzen auslotet, wo anhaltende Missgelauntheit in Verbitterung und einsichtslose Vereinsamung in Verzweiflung über den Lauf eines ganzen Lebens umschlagen könnte. Nein, sie und der Regisseur halten dabei auch gewitzt Zwiesprache mit Christoph Schaubs melancholischer Komödie Giulias Verschwinden , in der Harfouch 2009 als Titelheldin vor der drohenden Feier des Fünfzigsten in die Arme eines zehn Jahre älteren Ironikers flüchtete. Und wer ist diesmal einer (von mehreren) Rettungsankern: André Jung in der Rolle des Nachbarn, der in Giulias Verschwinden einen der sarkastischen Geburtstagsgäste spielte. Jan-Ole Gerster schliesslich kratzt mit Lara elegant die Kurve, in der seine Titelheldin einst hängen blieb: Die Wiederkehr das ewigen Talents als Könner – von dem wir uns künftig natürlich mit gnadenlosem Publikumsblick noch mehr erwarten.
Andreas FurlerGleich in der ersten Szene schickt sich die Titelheldin an, aus dem Fenster zu springen. Filme, die so beginnen, sind meistens Komödien über den verzwickten Weg zurück ins Leben. In Jan-Ole Gersters zweitem Film, nach seinem Überraschungsdebüt "Oh Boy" ist es das Psychogramm einer verbitterten Frau, die ihr Leben am Traum vorbeigelebt hat, was sehr traurig ist, aber auch mit feinem Humor durchsetzt. Hier eine kleine Bemerkung, dort ein missbilligender Blick, so bringt Lara Welten zum Einsturz, da Corinna Harfouch diese Frau mit unnachgiebiger Härte, aber auch mit herzzerreißender Verletzlichkeit ausstattet, kommt man ihr nahe, obwohl sie einen wegstößt.
Anke SterneborgWie Jan-Ole Gersters Oh Boy, so spielt auch Lara an einem Tag in Berlin. Aber wo seine letzte Regiearbeit eine Komödie im Stil von Woody Allen war, ist der aktuelle Film ein Familiendrama mit düsterem Humor. Harfouch spielt das Muttermonster erschreckend, mitunter kann man ihr kaum noch zusehen. Sehr böse ist das.
Gregor Schenker