Jagdzeit
Sabine Boss, Schweiz, 2019o
Alexander Meier kämpft als Finanzchef für das Überleben der Traditionsfirma Walser. Als ein skrupelloser Topmanager angestellt wird, entwickelt sich ein erbitterter Machtkampf. Vor den Trümmern seiner Existenz sieht Alexander schliesslich nur noch eine Möglichkeit: Rache.
Galerieo
«Jagdzeit» erinnert an reale Tragödien von Firmenkadern, die dem internen Druck nicht mehr standhielten.
Ein Mann setzt sich auf einer kahlen Terrasse zum Essen hin, links drei Fenster, der Rest ist Stein. Als loyaler Finanzchef eines Familienunternehmens hat sich Alexander Maier (Stefan Kurt) gegen das skrupellose Gebaren des neuen CEO Hans Werner Brockmann (Ulrich Tukur) zur Wehr gesetzt. Maier hat seiner Ex-Frau (Anna Tenta) Avancen gemacht. Und er hat, um Dampf abzulassen, daheim auf Videogrossleinwand auf Wildschweine geschossen. Doch wohin hat ihn das gebracht?
Sabine Boss’ «Jagdzeit» ist ein Film über das Managerwesen unserer Zeit, ein Gleichnis über die Einsamkeit in einem Beruf, wo man gegen überschätzte Vorgesetzte und überforderte Untergebene zugleich manövrieren muss. Dabei schimmern reale Tragödien durch. Zum Beispiel jene von Pierre Wauthier, dem einstigen Finanzchef der Zurich-Versicherung, der 2013 aus dem Leben schied und in seinem Abschiedsbrief seinen Vorgesetzten Josef Ackermann der Unfähigkeit bezichtigte. Oder jene von Carsten Schloter, CEO der Swisscom, der ebenfalls 2013 Suizid beging – angeblich wegen unüberbrückbarer Differenzen zu Verwaltungsratspräsident Hansueli Loosli.
Müsste man «Jagdzeit» in zwei Worten beschreiben, würde es «betriebsbedingte Feindseligkeit» ganz gut treffen. Es ist eine Atmosphäre des Taktierens und Kalkulierens, die das Handeln dieser Figuren bestimmt – zu Beginn schenkt Brockmann Maier den Sinnspruch-Band «Hagakure: Der Weg des Samurai». Regisseurin Boss fängt dieses Treiben in eiskalten Bildern ein. Überstunden-Mann Maier sieht das Tageslicht so gut wie nie. Ausser als ihn Brockmann einmal zu einer echten Jagd einlädt, um ihn blosszustellen.
So nimmt die Vergletscherung dieses Helden zu, das Hamsterrad des Neoliberalismus dreht unerbittlich. Bloss wird das bei diesem Film insofern zum Problem, als man mit einem wie Maier nur bedingt mitfiebern mag. Der Mann ist zu steif, zu verbissen. Kommt hinzu, dass «Jagdzeit» zur Überdeutlichkeit neigt und einige Nebenfiguren ins Karikatureske verschwimmen. Das schmälert allerdings nicht das Verdienst von Sabine Boss, endlich mal genauer hinzuschauen, was in den Chefetagen von Grossunternehmen eigentlich abläuft.